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Über das Sein in einem Chorleben

Auch das Chorsingen kann Gefahren mit sich bringen (denken wir nur an den Absturz in die unsaubere Intonation etc.), doch davon soll heute an unserem Jubiläumstag nicht die Rede sein. Vielmehr können wir Älteren (vornehmer: wir Senioren und natürlich Seniorinnen) ein Liedchen davon singen, wie erfrischend, ja belebend sich das gemeinsame Musizieren für unseren Kräftehaushalt auswirkt.

Wir genießen geradezu den Vorzug, immer noch stimmkräftig tätig zu sein, mit vollem Organ. Und dazu noch mit doppeltem Einsatz. Denn zum einen setzen wir Zeit, Kraft und unser unverwechselbares Timbre ein - zum zweiten setzen wir haargenau auf den Punkt ein, zuverlässig, volltönig, klangschön und dann sogar noch mit dem richtigen Ton, und zwar erst dann, wenn der bewußte freundlich-fordernde Blick uns dazu einlädt und jene unmißverständliche Geste es gebieterisch uns abverlangt.

Ja, wir alten Hasen und Häsinnen sind ständig auf dem Sprung, einzutauchen in das unerschöpfliche Meer der Töne, wir fürchten dabei keine Klippen (nun ja, sofern sie nicht allzu schroff sind), weichen geschickt jedem Strudel aus und erreichen nach wohldosierten Anstrengungen schließlich glücklich das Ufer.

So also verläuft das Musenleben der ein wenig betagten Sangesgemeinde. Und solange der Chor singt, ist die Messe noch nicht aus, und wir sind mittendrin! Wir folgen der bewährten Kontinuität und schätzen die uns verbleibende Zeit als kostbares Gut. Vor nunmehr 8 Jahren hat uns unser hochverehrter Gründervater eine neue Sangesheimat geschenkt, viele von uns waren damals schon dabei; wir besuchten gewissermaßen die Witt'sche Kita. Inzwischen haben wir bereits das 2. Grundschuljahr unter dem neuen Direktor absolviert. Auch das ist eine Feier wert. Die erweiterte Gemeinschaft findet sich immer besser zusammen. Und uns vereint ja die höhere Idee, der Drang zur Transzendenz, d.h., über die nüchterne materielle Welt hinauszugehen, sich nach oben auszustrecken. Obwohl wir eine Mehrzahl sind, bilden wir doch eine Einheit.

Und der Akkord könnte dafür als Sinnbild gelten. Jeweils ein Ton ist der Ausgangspunkt, aber es müssen mindestens noch zwei dazukommen, will er seine Bestimmung erfüllen, nämlich zu Herzen zu gehen: denn das besagt ja sein Name, der aus dem Lateinischen kommt und die Bestandteile ad = zu, cor = Herz in sich birgt. Das innige Singen, gerade dies passt doch zu einer alterfahrenen Sangesgemeinschaft. Und vor uns liegt mit der Markus-Passion von Keiser ein Werk, dem diese Haltung sehr zugute kommen wird. Ich wünsche uns allen Freude und neue Erkenntnisse bei der Erarbeitung dieses Werkes und in der steten Wiederbegegnung mit dem schon bekannten Reichtum der geistlichen Musik.